In fremden Nästern zuhause
In Waldnähe, aber auch in der wundervollen Wiesenlandschaft des Leinepolders kann man ihn im Frühling hören: laut und unverwechselbar und manchmal minutenlang hallt der Ruf des Kuckuck-Männchens, wenn er um ein Weibchen wirbt. Nach der Paarung beginnt ein in Europa einzigartiger Ablauf des Brutgeschehens.
Der Kuckuck (Cuculus canorus) zählt zu den Zugvögeln und überwintert in Afrika. Mit Beginn des Frühlings zieht er nordwärts und ist zumeist ab Mitte April wieder in unseren Wäldern zu hören. Das „Er“ ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen, denn nur die Männchen geben den unverwechselbaren zweisilbigen und weithin hörbaren „Kuck Kuck“-Ruf von sich. Kaum ist er angekommen, so macht sich der Kuckuck im Sommer schon wieder auf die Rückreise. Dazwischen muss er noch das Brutgeschäft erledigen - oder besser erledigen lassen.
Ungewöhnliche Variante
Bei der Brautwerbung läuft der hübsche Vogel zur Höchstform auf. Mit lauten Rufen und aufgeregtem Hin- und Herfliegen versucht er Nebenbuhler abzuhalten und auf sich aufmerksam zu machen. Der Vorgang, der dann nach der erfolgreichen Paarung passiert, ist in Europa einzigartig: Das Kuckucksweibchen legt ihr Ei in ein fremdes Nest. Der Kuckuck ist ein echter Brutparasit, der sich die Arbeit anderer Vögel zunutze macht. Weder baut er ein eigenes Nest, noch brütet er selbst und füttert auch keine Jungen.
Von seinen untergeschummelten Eiern bleiben nur reine Höhlenbrüter verschont. Viele Singvögel, die gut sichtbare Nester bauen, sind für den Kuckuck die bevorzugten Adoptiveltern. Hat das Weibchen von einem Ast aus oder bei einem Rundflug ein geeignetes Opfer entdeckt, wartet sie einen günstigen Moment ab. Manchmal attackieren die Singvögel den unbeliebten Kuckuck, besonders in der Nähe ihres Nestes, um ihn zu verjagen. Aber es scheint so zu sein, als ob die Wirtsvögel das Kuckuckspaar so unbewusst erst recht auf die mögliche Brutstätte aufmerksam machen. In kürzester Zeit hat das Kuckucksweibchen in das unbewachte Nest ein Ei gelegt und trägt sogar dafür manchmal ein anderes im Schnabel weg. Die Auswahl des richtigen Momentes ist entscheidend für den Erfolg. Das Ablegen des Kuckuckseis im Nest muss dann erfolgen, wenn der Wirtsvogel die eigenen Eier noch nicht bebrütet hat. Schon anderthalb Wochen später und in der Regel vor den regulären Vogelkindern schlüpft der junge und zumeist deutlich größere Kuckuck-Nachwuchs.
Es kann nur einen geben
Das Vogeljunge beginnt umgehend damit, alles um ihn herum rückwärts huckepack aus dem Nest zu befördern, solange bis kein weiteres Ei oder geschlüpftes Küken mehr vorhanden ist. Die unfreiwilligen Vogeleltern helfen noch dabei, in dem sie reglose Körper auf dem Nestrand entfernen, so wie die Natur es vorgegeben hat. Schließlich bleibt nur noch das große und sehr hungrige Küken, das die oft viel kleineren Singvogeleltern im anstrengenden Dauereinsatz füttern. Auch wenn das einzelne Vogelpaar auf diese Weise seine eigene Brut verliert, so kann der Kuckuck trotzdem nicht die anderen Arten dauerhaft gefährden. Das Kuckucksweibchen legt ihre Eier bevorzugt in ein Nest von der Vogelart, die es selbst großgezogen hat. Schlauerweise ähneln die Eier den Eiern der Wirtsvögel in Färbung und Zeichnung. Im Laufe der Evolution haben sich Kuckuckseier dem Aussehen der Wirtsvögel angeglichen. Die Wissenschaft spricht hier von Mimikry.
Seit einiger Zeit nehmen die Bestände des Kuckucks in Deutschland leider ab. Zum Glück finden in der abwechslungsreichen Landschaft wie den Leinepoldern viele Vogelarten einen Rückzugsort. Ihr Schutz hilft damit indirekt auch dem Kuckuck.
Die Naturscouts Leinetal führen Interessierte zu den schönsten Beobachtungsplätzen in diesem besonderen Vogelschutzgebiet. Informationen unter
Schlechtes Image
Die Kuckucksrufe galten von alters her als Glockenschläge der Natur, welche die wärmere Jahreszeit einläuteten. Sie gaben wegen ihrer Eintönigkeit immer wieder Anlass zu spöttischen Vergleichen. So wurden einfältige Menschen als der „Alte Kuckuck“ bezeichnet. In verschiedenen Volksmärchen fordert der Kuckuck in grenzenloser Selbstüberschätzung die Nachtigall zum Singwettstreit auf. Gerade im alten Volksglauben verschaffte sein Schmarotzertum dem Kuckuck einen schlechten Ruf. So glaubte man, dass sich Zikaden unter dem Flügeln der Vögel niederlassen und dort diese mit ihrem Speichel, der Kuckucksspucke, diese aus Rache quälen. Auch wurden mehrere Pflanzenarten nach dem Kuckuck benannt. Diese Kuckucksblumen riechen meist nicht besonders gut. Die Pfändungssiegel der Gerichtsvollzieher werden manchmal noch heute als Klebekuckuck bezeichnet.