Neuntöter unterwegs in den Leinepoldern
Schon in wenigen Wochen wird diese Vogelart wieder aus unserer Region und anderen deutschen Brutrevieren verschwunden sein, dabei sind sie noch gar nicht so lange hier. Neuntöter (Lanius collurio) sind außergewöhnliche Zugvögel. Sie gehören zwar zu den Singvögeln, haben aber eine besondere Vorliebe - sie ernähren sich ausschließlich von fleischlicher Nahrung.
Kleiner Großwildjäger
Erst im späten Frühling, wenn an den Leinepoldern die Weißdorn- und Schlehenbüsche blühen, fliegen sie aus ihren afrikanischem Überwinterungsgebiet zu uns in den Norden. Zu dieser Zeit sind auch ihre bevorzugten Beutetiere, wie größere Insekten bereits weitgehend ausgewachsen – wichtig für den Bruterfolg der Vogelart, bei der die Männchen eine markante Federzeichnung tragen. Mit dem schwarzen Band entlang der Augen bis zum Schnabel erinnern sie etwas an den legendären Banditen Zorro. Der flinke Jäger ist auf reichhaltige Beute aus, wie Heuschrecken und große Käfer, aber auch kleine Säugetiere. Daher kann man in einem Neuntöter-Revier seltsame Dinge beobachten. Zum Beispiel eine tote Maus, die weit oberhalb des Erdbodens auf einem spitzen Ast hängt! Hier ist vielleicht grade einen Neuntöter beim Mittagessen oder hat die Maus als Vorrat für später dort platziert.
Werbung mit Gesang und Geschenken
Gegenden mit undurchdringlichen Hecken und Sträuchern sind die bevorzugten Jagdreviere des Neuntöters. Mit seinem spitzen Schnabel, der zudem an der Spitze mit einem kleinen Haken („Falkenzahn“) ausgestattet ist, hält der auch Rotrückenwürger genannte Vogel geschickt seine Beute fest und fixiert sie an langen Dornen oder Stacheln. Die gefangenen Insekten, aber auch Eidechsen und andere Amphiben spießt er so förmlich auf. Auf diese Weise lassen sie sich bequem zerlegen. Sogar andere kleinere Vögel müssen vor dem Neuntöter auf der Hut sein, der von der Schnabelspitze bis zum Schwanz selbst nur rund 17 cm misst und damit nur wenig größer ist, als ein Spatz.
Die aufgespießte Maus in der Hecke kann aber auch als Geschenk gedacht gewesen sein, welches das Neuntöter-Männchen seiner Auserwählten gebracht hat. Hat er ein gutes Jagd- und Brutrevier besetzt, versucht das Männchen mit Futterpräsenten, aber auch mit längeren Gesangpassagen seiner Partnerin zu imponieren, wobei er sein samtbraunes Gefieder präsentiert.
Vorratshaltung
Hat er erfolgreich geworben, beginnt das unauffällig braun-grau gefärbte Weibchen Anfang Mai bis Ende Juni zu brüten, während ihr Partner sie und das Nest bewacht und andere Vögel im Revier verscheucht. Ebenso schafft das Neuntöter-Männchen Nahrung heran. Wenn aus den vier bis sechs bunt-gefleckten Eiern im Nest die Jungen geschlüpft sind, kümmert sich das Neuntöter-Paar gemeinsam um die Aufzucht. Die Jungvögel beginnen schon nach zwei Wochen außerhalb des Nestes um Futter zu betteln. Da ist es praktisch, wenn man im Dornengebüsch einen Vorrat angelegt hat und ihn in Teilen schnell zum hungrigen Nachwuchs transportieren kann. So holt sich der Neuntöter die Reste einer gefangenen Eidechse oder eines großen Käfers manchmal erst ein paar Tage später.
Neuntöter gehören zur Familie der Würger, von der es weltweit 64 Arten gibt. Bei der Ernährungsweise müssen unverdauliche Chitinpanzer, Fellreste oder Knochen wieder ausgespuckt werden. Neuntöter sind zwar eine ungewöhnliche, aber nicht besonders seltene oder gefährdete Vogelart. Sie kommen in weiten Teilen Europas vor, bevorzugt in warmen Regionen. Sobald der Sommer hier schwächelt, ziehen sie Ende August oder Anfang September auch schon wieder zurück auf den afrikanischen Kontinent. Noch aber können sie mit etwas Glück auch in den Leinepoldern an buschreichen Waldrändern und in Feldgehölzen beobachtet werden. Die Naturscouts Leinetal führen Interessierte zu den schönsten Beobachtungsplätzen in diesem besonderen Vogelschutzgebiet. Informationen unter www.naturscouts-leinetal.de