Juli/August 2020: Uferschwalben rund um die Leinepolder
Eine oft übersehene Vogelart zieht im Frühling und Sommer ihre Kreise über der Leine und der Northeimer Seenplatte: die Uferschwalbe. Ob und wo sie Nistplätze findet, hängt häufig vom Menschen ab.
Ihr Körperbau und Flugstil verraten dem aufmerksamen Beobachter meist recht schnell, dass sie Mitglieder der Familie der Schwalben sind. Sehr oft werden die nur 12 bis 13 cm großen Uferschwalben aber mit den ähnlich großen Mehlschwalben verwechselt. Dagegen sind die Rauchschwalben mit fast 20 cm Körperlänge deutlich größer – und sie sind leicht an ihrem sehr tief gegabelten Schwanz zu erkennen. Bei den Uferschwalben ist diese Gabelung dagegen nur gering ausgeprägt.
Die Körperunterseite trägt helle Federn, die auf der Oberseite sind erdbraun gefärbt. Ein graubrauner, nicht immer ganz durchgängiger Ring schmückt die Brust. Damit ist das Erscheinungsbild der Uferschwalben eher unscheinbar, und doch sind sie faszinierende Vögel.
Perfekte Flieger
Etwa von Mai bis August oder September halten sie sich in Mitteleuropa auf, den Winter verbringen sie im Süden. Die bei uns vorkommenden Uferschwalben überwinden bei ihrem Flug in ihre Winterquartiere enorme Strecken. Sie ziehen über Gibraltar in Gebiete südlich der Sahara; die meisten überwintern im Bereich des Tschadsees.
Dass sie diese langen Reisen auf sich nehmen müssen, liegt in ihrer Ernährungsweise begründet: "Uferschwalben sind reine Insektenfresser. Sie benötigen demnach das gesamte Jahr über tierische Kost und weichen nicht wie einige andere Vogelarten vorübergehend auf pflanzliche Nahrung wie zum Beispiel Beeren aus", erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. "Nur während der warmen Monate finden sie in Mitteleuropa genügend Nahrung. Wird es zum Herbst hin zusehends kühler, schwinden die Insekten, weshalb sich die Uferschwalben zu ergiebigeren Nahrungsgründen aufmachen."
Nicht nur weit können die kleinen Vögel fliegen, sondern auch überaus geschickt. Denn die Insekten fangen sie nahezu ausschließlich im Flug. "Wer einmal versucht hat, eine Fliege zu fangen, wird den Flugkünsten der Uferschwalben sicherlich Respekt zollen", ist Spieker überzeugt. Während ihrer Jagdflüge können die gefiederten Insektenjäger bis zu 50 km/h schnell sein.
Zum Trinken landen diese kleinen Flugkünstler ebenfalls nicht. Sie fliegen dicht oberhalb der Wasseroberfläche entlang und nehmen dabei kleine Schlucke auf. Gebadet wird ganz ähnlich. Dafür tauchen sie – oft mehrmals hintereinander – blitzschnell kurz ins Wasser ein, wobei sie stets weiterhin ihre Flügel bewegen. Das ist wichtig, denn anders als Wasservögel können Uferschwalben nicht schwimmen und müssen deshalb verhindern, ganz unter Wasser zu geraten.
Geselliges Brüten
Um brüten zu können, brauchen Uferschwalben zwei Dinge: Artgenossen und den passenden sowie ungestörten Lebensraum. Lehmige oder aus festem Sand bestehende Abbrüche, beispielsweise an Flussläufen, sind für die Koloniebrüter ideal. Dicht an dicht graben die Uferschwalben dort ihre Bruthöhlen in die Steilwände, in denen sie gut vor Fressfeinden geschützt sind.
"Allein mit ihrem Schnabel und den Krallen heben die zierlichen Vögel meist etwas mehr als einen halben Meter tiefe Röhren aus, an deren Ende die eigentliche Nisthöhle liegt", weiß der Naturkenner Spieker. Diese polstern sie unter anderem mit Gräsern aus. Nachdem das Weibchen die Eier gelegt hat, werden diese abwechselnd von beiden Elternteilen etwa zwei Wochen lang gewärmt. Beim Versorgen der Jungen nach dem Schlüpfen praktizieren die Uferschwalben ebenfalls Arbeitsteilung.
Weil der Mensch durch seine starken Eingriffe in die Natur an vielen Fließgewässern für die Vögel wichtige Abbruchkanten beseitigt hat, ist es für die Uferschwalben heute vielerorts schwierig, Plätze für die Jungenaufzucht zu finden. Es ist wiederum der Mensch, der den Vögeln Ersatzlebensräume schafft, indem beispielsweise Kies abgebaut wird. Dadurch bleiben oft sandige oder lehmige Steilwände stehen, in denen die Uferschwalben brüten können. Spezielle Nisthilfen nehmen sie ebenfalls mancherorts bereitwillig an.
Uferschwalben im Leinetal
Wer im Leinetal Uferschwalben beobachten möchte, hat in den Leinepoldern oft gute Chancen. "Vom Beobachtungsturm an der Geschiebesperre aus lassen sich die flinken Vögel bei ihren Flügen über das Wasser beobachten", erläutert Thomas Spieker. Sein Tipp: Mit einem Fernglas oder Spektiv klappt das besonders gut.
Den Vögeln näher zu kommen und dafür querfeldein ins Gebiet zu laufen, ist hingegen keine gute Idee. Dies wäre ein Verstoß gegen das Wegegebot, das für Menschen und sie begleitende Vierbeiner gilt. Ziel dieser Vorschrift ist es, die heimischen Wildtiere vor Störungen durch den Menschen und Hunde zu schützen.
Weitere gute Beobachtungsplätze für Uferschwalben finden sich an der Northeimer Seenplatte. Praktisch über allen Seen kann man sie ihre Kreise ziehen sehen. In der Nähe des Freizeitsees finden die Vögel außerdem steile sandige Bereiche, in denen sie brüten. "Diesen Brutplätzen sollten sich Menschen nicht nähern, um die Vögel nicht zu stören. Im ungünstigsten Fall könnten sie sonst ihre Brut aufgeben", so Spieker. Er rät deshalb dazu, lieber aus gebührendem Anstand die Vögel zu beobachten.
Weil sich hin und wieder auch Rauch- und Mehlschwalben in der Gegend aufhalten, ist genaues Hinschauen gefragt, um die Gefiederten zu unterscheiden. Während geführter Exkursionen der Naturscouts Leinetal, über die auf deren Website informiert wird, lässt sich die Natur gemeinsam mit anderen Interessierten erkunden.