September/Oktober 2019: Auf der Durchreise – Kampfläufer in den Leinepoldern
Viele Zugvögel nutzen die Leinepolder zwischen Einbeck und Northeim im Herbst und im Frühling als Rastplatz. Zu den Tieren, die sich dort zu einem Zwischenstopp einfinden, gehören auch die seltenen Kampfläufer.
Die weitläufigen nordischen Tundren sowie Moore und feuchte Niederungen in nördlichen Regionen waren während der vergangenen Sommermonate das vorübergehende Zuhause der Kampfläufer. Dort finden die 26 cm bis 32 cm großen Vögel in den offenen Landschaften ideale Brutplätze am Boden, zumeist in Gewässernähe. Reichlich Nahrung ist ebenfalls vorhanden, die Vögel fressen hauptsächlich am und im Wasser lebende Insekten wie Käfer und Fliegen.
Weil der Sommer in hohen nördlichen Breiten kurz ist und mit der Wärme auch die Nahrung verschwindet, müssen Kampfläufer weite Flugstrecken auf sich nehmen, um zu ihren Überwinterungsplätzen zu gelangen. Das Winterhalbjahr verbringen sie beispielsweise im westafrikanischen Binnenland. Eine so lange Strecke ohne Pause zu fliegen, ist nichts für die langbeinigen Vögel. Ruhige Schlammflächen entlang ihrer Zugwege ziehen sie magisch an – ein solcher gern genutzter Rastplatz sind die Leinepolder.
Im Herbst ganz schlicht
"Wer Kampfläufer beobachten möchte, sollte sich im Oktober mit einem Fernglas oder Spektiv ausgerüstet an einem der Beobachtungsstände einfinden und Geduld mitbringen", rät Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. Während des Herbstzuges tragen die Vögel ihr Schlichtkleid, bei dem die Federn auf der Oberseite des Körpers graubraun und auf der Unterseite weißlich gefärbt sind.
"Weibchen sind deutlich kleiner als die Männchen, was man vor allem dann gut erkennen kann, wenn Individuen beider Geschlechter nebeneinander stehen", so Spieker. Am besten ist es, sich bei der Suche nach den Tieren auf feuchte, schlammige Uferstreifen zu konzentrieren. Falls sich gerade Kampfläufer im Naturschutzgebiet aufhalten, dann gehen sie sehr wahrscheinlich auf solchen Schlammflächen auf Nahrungssuche.
"Sich den Vögeln zu nähern, um sie besser sehen zu können, ist aber keine gute Idee", mahnt Spieker. "Sie sind recht scheu und würden schnell davonfliegen, wobei sie zu einer unnötigen Verschwendung kostbarer Energie gezwungen wären." Damit die Wildtiere in den Leinepoldern ungestört sind, gilt dort ein Wegegebot, an das sich Menschen und sie begleitende Vierbeiner halten sollten. Bei allem Naturgenuss sollte immer Rücksicht auf die gefiederten Fernreisenden und andere tierische Bewohner des geschützten Areals genommen werden.
Opulent im Frühling
Mit dem Ende des Winters vollziehen die Kampfläufer eine körperliche Wandlung: Sie bekommen ihr Prachtkleid. Den Männchen wächst dann ein prächtiger Federkragen, der unterschiedlich gefärbt sein kann. Es gibt Individuen mit dunklem Kragen und solche mit hellem, manche haben einen gestreiften Kragen und wieder andere einen rötlichen. Außerdem variiert die Färbung anderer Gefiederpartien, was diese Vogelart zu etwas ganz Besonderem macht. Während des Frühlingszugs rasten diese Vögel meist im April in den Leinepoldern, und mit etwas Glück kann man dann einen Blick auf sie erhaschen, bevor sie die Weiterreise gen Norden antreten.
"In ihren Brutarealen treffen sich die Männchen zur sogenannten Arena-Balz", weiß Thomas Spieker. Das heißt, sie sammeln sich auf kleinen Schlammflächen und präsentieren sich in all ihrer Pracht den drumherum stehenden Weibchen. "Dabei kann es zwischen den Männchen zuweilen ziemlich ruppig zugehen, denn zeigen nicht nur ihr Gefieder, sondern fechten auch untereinander Kämpfe aus", erklärt Spieker. "Der Name ‚Kampfläufer‘ kommt bei ihnen nicht von ungefähr."
Neben den auffälligen Männchen mit ihrem opulenten Federkragen gibt es auch solche, die etwas kleiner als ihre Geschlechtsgenossen, aber durchaus ein wenig größer als die Weibchen sind. Wie diese haben sie zur Fortpflanzungszeit aber keinen Federkragen. "Forscher vermuten, dass diese unauffälligen Männchen sich unter die Weibchen mischen und gewissermaßen Paarungen erschleichen, ohne am Balzgeschehen aktiv teilzunehmen", so der Naturscout Spieker.
Verdrängt durch die Landwirtschaft
Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein war der Kampfläufer in Mitteleuropa weit verbreitet. Das hat sich vor allem durch die immer intensivere landwirtschaftliche Nutzung großer Gebiete zusehends gewandelt. Heute gilt die Art in Deutschland als vom Aussterben bedroht. Weltweit betrachtet, ist der Kampfläufer zum Glück nicht gefährdet, da er beispielsweise in Skandinavien nach wie vor weitläufige unberührte Flächen vorfindet, die seinen Bedürfnissen entsprechen.
Hierzulande sind geschützte Bereiche wie die Leinepolder für durchziehende Kampfläufer und zahlreiche andere Vogelarten von großer Bedeutung. Die rastenden Tiere zu beobachten, ist für viele Naturbegeisterte im Herbst ein echtes Highlight. Weil es nicht immer leicht ist, die Vögel überhaupt zu entdecken, empfiehlt es sich, sich einem geführten Spaziergang der Naturscouts Leinetal anzuschließen. Hinweise zu Terminen gibt es auf naturscouts-leinetal.de.