September 2018: Herbstlicher Vogelzug in den Leinepoldern
Mit vielen reifen Beeren, Früchten und Samen bietet der Herbst der Tierwelt die Möglichkeit, sich für den Winter zu rüsten. Auch ist er die Zeit des Vogelzugs, der sich in den Leinepoldern oft gut beobachten lässt.
Viele unserer heimischen Vögel pendeln zwischen ihren Brutgebieten und den Überwinterungsarealen hin und her, wobei sie teils sehr weite Strecken zurücklegen. Gerade jetzt im Herbst lassen sich in den Leinepoldern Zugvögel beobachten, die sich dort entweder sammeln, um bald gemeinsam gen Süden zu fliegen, oder die dort auf ihrer Reise einen Zwischenstopp einlegen. Das Gebiet zwischen Einbeck und Northeim ist für zahlreiche Arten im September und Oktober ein beliebter Aufenthaltsort.
Natur im Wandel
Wie stark die Natur dem jahreszeitlichen Wandel unterliegt, zeigen die Vögel auf eindrucksvolle Weise. Hinsichtlich ihrer Ernährung haben nicht alle Gefiederten dieselben Vorlieben. Etliche derjenigen Arten, die ganzjährig Insekten als Nahrung benötigen, sind Zugvögel. "Sie profitieren vom insektenreichen Frühling und Sommer in unseren Breiten und nutzen während des Winters das entsprechende Nahrungsangebot im Mittelmeerraum oder in Afrika", erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V.
Interessant ist dabei die Frage, ob die ziehenden Arten ursprünglich nur in Afrika heimisch waren und ihre Wanderungen sie mit der Zeit im Frühling der Nordhalbkugel immer weiter gen Norden geführt hat. Gänzlich geklärt ist dies bislang nicht. "Vermutlich kann man das ohnehin nicht für alle Vogelarten sagen, es kann bei der einen Art so und bei der nächsten Art völlig anders gewesens ein – vieles am Vogelzug gibt uns deshalb nach wie vor große Rätsel auf", so Spieker.
Zu den kleinen Insektenfressern, die im Herbst aus den Leinepoldern abwandern, gehören der Zilpzalp und der Fitis. Andere auf Insekten spezialisierte Arten sind schon eher abgereist, zum Beispiel die Mauersegler Ende Juli beziehungsweise Anfang August. Die meisten Mehlschwalben sind im September ebenfalls bereits abgereist, man trifft sie nur noch vereinzelt an. Bald folgen ihnen die Rauchschwalben, die sich nun zu größeren Trupps sammeln, um bald gemeinsam aufzubrechen. Ähnlich verhält es sich mit den Staren. In den Monaten September und Oktober bilden sie riesige Schwärme, die aus mehreren hundert bis einigen tausend Individuen bestehen können. Die Schilfflächen in den Poldern sind immer wieder beliebte Schlafplätze.
"Weil der Star kein reiner Insektenfresser ist, sondern auch Würmer, andere kleine Tiere sowie Pflanzenteile frisst, scheint es sich für ihn zu lohnen, eine Überwinterung in Mitteleuropa zu versuchen", weiß Thomas Spieker. Waren noch vor nicht allzu langer Zeit praktisch alle Stare reine Zugvögel, lassen sich immer häufiger auch im Winter hierzulande einige beobachten, die erfolgreich überwintern – zum Beispiel im Einzugsbereich der Leinepolder.
Rasten an der Leine
Die schlammigen Uferbereiche der Leine und überschwemmte Wiesen ziehen im Herbst rastende Zugvögel an. "Im Naturschutzgebiet können im September und Oktober mit etwas Glück verschiedene Watvogelarten angetroffen werden, die für einige Tage bleiben, um Kräfte für den Weiterflug gen Süden zu tanken", berichtet Spieker. Die Färbung dieser Vögel ist meist recht schlicht und man kann sie am besten beobachten, indem man mit einem Fernglas oder Spektiv (Beobachtungsfernrohr) die Uferzonen oder die Wiesen absucht. Zu den Vögeln, die man so vielleicht erblickt, gehören unter anderem Grünschenkel, Bruchwasserläufer, Waldwasserläufer, Kampfläufer und Alpenstrandläufer.
"Wer sich nun glaubt, dass man die Tiere ja besser erkennen kann, wenn man sich an sie heranschleicht, der sollte bedenken, dass dafür die Wege verlassen werden müssten – und das ist aus gutem Grund verboten", mahnt Thomas Spieker. In den Leinepoldern gilt ein Wegegebot für Menschen und mitgebrachte Vierbeiner, damit die Wildtiere nicht gestört werden. 2Die rastenden Zugvögel sind hier, um Energie zu tanken und nicht um sie zu verschwenden, weil sie durch Menschen oder Hunde gestört und aufgeschreckt werden", so der Naturkenner Spieker.
Weißstörche, Kraniche und Gänse
Die meisten Weißstörche überwintern in Afrika. Ihre diesjährigen Jungen sind fast alle schon abgereist, die Altvögel beginnen ihren langen Flug oft im September oder Oktober. Vorher sammeln sie sich zu kleineren Gruppen, was sich in den Leinepoldern in manchen Jahren beobachten lässt. Zudem ist es bei den Weißstörchen ähnlich wie bei den Staren: Einige der großen, schwarz-weißen Schreitvögel überwintern in der Gegend, und das seit einiger Zeit recht erfolgreich.
Oktober und November sind in den meisten Jahren die Hauptmonate des herbstlichen Zug der Kraniche. Mitunter lassen sich ab Ende September einige dieser "Vögel des Glücks" zwischen Einbeck und Northeim beobachten, weil sie in dem Schutzgebiet rasten. „Für die großen Gänsescharen, die das Schutzgebiet Jahr für Jahr zum Überwintern aufsuchen, ist es jetzt noch ein wenig früh“, erläutert Spieker. "Allenfalls Graugänse wurden in der Vergangenheit im September in größeren Zahlen gesichtet, die Tundrasaatgänse lassen bis Oktober oder November auf sich warten."
Aus Anlass der Vogelzuges veranstalten die Naturscouts in den kommenden Wochen mehrere öffentliche Führungen. Die Termine sind unterr www.naturscouts-leinetal.de im Web oder der Tagespresse zu finden. Bei frühzeitiger Terminabsprache können auch individuelle Führungen gebucht werden.