Mai 2018: Kormorane in den Leinepoldern
Die Leine und einige Gewässer in und rund um die Leinepolder beherbergen Fischarten, die wiederum auf dem Speisezettel anderer Tiere stehen. Unter ihnen ist ein dunkel gefiederter Fischer, der im Frühling sogar seinen Nachwuchs im Leinetal großzieht: der Kormoran.
Beim Blick auf die Wasseroberfläche fallen manchmal dunkle Vögel auf, die beim Schwimmen relativ tief im Wasser liegen und die sich oft unvermittelt in die Tiefe begeben, um dort Fische zu jagen. Sind sie satt, kommen sie an Land und setzen sich beispielsweise auf Äste, auf denen sie sich trotz ihrer mit Schwimmhäuten versehenen Füße erstaunlich gut halten können.
Bei diesen Vögeln handelt es sich um Kormorane. Sie sind 77 bis 94 cm groß und können eine Flügelspannweite von bis zu 1,5 m erreichen. Die Männchen sind oftmals ein wenig größer und schwerer als die Weibchen, wobei das Gewicht abhängig von der Körpergröße und der Nahrungssituation zwischen rund 1,6 bis fast 3,2 kg liegen kann.
Kormorane genauer zu betrachten, lohnt sich. Denn diese Vögel zeigen einige faszinierende Merkmale und Verhaltensweisen.
Nicht bunt, aber auch nicht eintönig
Verglichen mit anderen Wasservogelarten sieht das Gefieder des Kormorans eher schlicht aus. Aber eintönig ist es dabei keineswegs. "Wenn die Vögel zur Fortpflanzungsperiode ihr Prachtkleid tragen, sehen die Federn auf den ersten Blick schwarz aus. Doch fällt Sonnenlicht auf sie, schillern einige metallisch grünlich bis bläulich", weiß Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. An den Flügeln haben einige Federn einen bronzefarbenen Schimmer und sie sind schwarz umrandet. Zudem finden sich im Gefieder am Scheitel und im Nacken einige feine weiße Federn. Am Schenkelansatz gibt es buschige weiße Gefiederbereiche. Besonders auffällig sind die verlängerten Federn am Schopf, sie lassen den Kopf besonders eindrucksvoll wirken.
"Die nackte Hautpartie an der Basis des Schnabels ist kräftig gelb gefärbt und weiß umrandet, was einen deutlichen Kontrast zum dunklen Gefieder bildet", so Spieker. "Und schaut man einem erwachsenen Kormoran in die Augen, sieht man sogleich, dass sie kräftig grün sind. Bei jungen Kormoranen ist die Iris dagegen bräunlich bis bräunlichgrün gefärbt."
Während sie ihr Schlichtkleid tragen, haben Kormorane keine weißen Schenkelflecken und auch am Kopf fehlen die feinen weißen Federn. Die verlängerten Schopffedern sind nun ebenfalls nicht vorhanden, sie sind dem Prachtkleid vorbehalten.
"Wer einen Kormoran sieht, dessen Brust und Bauch schmutzig weiß gefärbt sind, der hat es mit einem jugendlichen Vogel zu tun. Erblickt man so ein Tier im Herbst, kann man davon ausgehen, dass es wohl im selben Jahr zur Welt gekommen ist", erklärt Spieker.
Charakteristisch für Kormorane ist ihr langer, gerader und an der Spitze nach unten gekrümmter Schnabel. Mit diesem Haken können sie besonders gut Fische packen.
Geschickter Unterwasserjäger
Schwimmende Kormorane beginnen ihre Tauchgänge meist mit einem kleinen Sprung: Sie strecken sich und lassen sich anschließend kopfüber unter Wasser gleiten. Meist tauchen sie zwischen 15 Sekunden und einer Minute. Dabei erreichen sie eine Tiefe von 1 bis 3 m. Es wurde sogar schon eine Tauchtiefe von 16 m bei einem Kormoran nachgewiesen.
Indem sie mit ihren Schwimmfüßen kräftige Stoßbewegungen vollführen, bewegen sich Kormorane unter Wasser. Die Flügel bleiben dabei an den Körper angelegt. Dadurch haben Vögel eine perfekte Stromlinienform und können besonders gut tauchen.
Erblicken sie einen Fisch, packen sie ihn mit dem Schnabel und schwimmen dann zur Oberfläche. Nach dem Auftauchen wird die Beute geschluckt – normalerweise mit dem Kopf voran, um problemlos die Kehle hinab zu rutschen. "Manchmal leisten die Fische aber großen Widerstand und wehren sich, indem sie ihre Flossen aufrichten", so Thomas Spieker. "Ein Kormoran, der einen solchen Fisch quer im Schnabel liegen hat, muss ihn wieder und wieder in die Luft werfen und erneut auffangen, bis er in der richtigen Position zum Schlucken liegt. Das kann mitunter mehrere Minuten dauern."
Beobachten lassen sich jagende und fressende Kormorane am besten von einem Aussichtspunkt aus, wobei ein Fernglas gute Dienste leistet. Einfach ins Gebiet zu gehen, um näher am Geschehen zu sein, verbietet sich. "In den Leinepoldern herrscht ein Wegegebot zum Schutz der Tiere, das auch für Vierbeiner gilt. Hunde, die bei Spaziergängen dabei sind, sind an der Leine auf den Wegen zu führen", klärt der Naturkenner auf.
Und noch etwas lässt sich bei Kormoranen mit und ohne Fernglas oft beobachten: Nachdem sie einen Tauchgang unternommen haben, setzen sie sich an Land mit gespreizten, aufgefächerten Flügeln hin. Obwohl Kormorane ihr Federkleid mit einem speziellen Sekret aus der Bürzeldrüse imprägnieren können, nehmen die Federn beim Tauchen dennoch Wasser auf, was sich negativ auf den Auftrieb unter Wasser auswirkt. Vor dem nächsten Tauchgang sollten die Federn idealerweise wieder trocken sein. Deshalb wird an Land die typische Haltung eingenommen, um möglichst alle Federn der Luft und dem Sonnenlicht auszusetzen.
Geselliges Brüten
Ihre Nester errichten Kormorane in Brutkolonien in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Artgenossen. Die aus Zweigen gebauten Nester befinden sich in Bäumen und gerade bei älteren Kolonien sind diese manchmal kahl und mit Kot bedeckt.
In den Leinepoldern gibt es in Polder 1 eine Kolonie, außerdem existiert eine weitere an den Northeimer Kiesseen. Dort wurde früher schon einmal gebrütet, bis die Kolonie von Waschbären angegriffen wurde. Diese Säugetiere können erstaunlich gut klettern und die Kormorannester waren selbst in den Baumkronen nicht sicher vor ihnen. Weil dieser Brutplatz attraktiv war, haben die Kormorane ihn trotz der Waschbärangriffe inzwischen wieder zu nutzen begonnen.
Von Menschen verfolgt
Da der Kormoran als Nahrungskonkurrent für den Menschen angesehen wurde, wurde er in Europa stark bejagt. Bei vielen Fischzüchtern sowie bei Anglern war und ist er unbeliebt, weil er es auf die kostbaren Fische abgesehen hat. Um 1920 herum stand es so schlecht um den Kormoran, dass er aufgrund der massiven Nachstellung durch den Menschen im europäischen Binnenland fast ausgerottet war.
Im Jahr 1926 gab es in Deutschland keine Brutpaare mehr. Wie viele Kormorane es momentan hierzulande gibt, ist nicht exakt bekannt. Allerdings scheinen sich seine Bestände seither zumindest lokal erholt zu haben. Bis vor rund 30 Jahren gab es in den Leinepoldern keine Kormorane mehr, sie besiedelten das Gebiet erst nach und nach wieder. Inzwischen hat sich der Bestand erholt und stabilisiert. Ein weiteres Indiz für den positiven Entwicklungstrend für Deutschland ist, dass im Sommer 2017 gemeldet wurde, es gebe in Mecklenburg-Vorpommern so viele Kormorane wie nie zuvor. Fischer und Angler forderten deshalb allerdings Abschüsse, um die Zahl der "Fischräuber" auf ein "verträgliches Maß" zu reduzieren. In Niedersachsen darf der Kormoran zu bestimmten Zeiten auf Binnengewässern abgeschossen werden.
"Wer es stattdessen bevorzugt, diese eleganten Vögel lieber mit der Kamera zu ‚erwischen‘, dem bieten sich rund um die Leinepolder gute Möglichkeiten", erläutert Thomas Spieker. Es wäre wünschenswert, wenn Kormoransichtungen sowie alle anderen Naturbeobachtungen überdies erfasst würden. "Dafür steht die kostenlose Gebietsführer-App 'Naturerlebnis Leinepolder' zur Verfügung, mit der die Sichtungsdaten an das Beobachtungs-Netzwerk naturgucker.de übertragen werden können."