Mai 2017: Lerchenparadies Leinepolder
Seit einigen Jahrzehnten erheben sich in Deutschland immer weniger Feldlerchen singend in die Luft. Über den Leinepoldern kann man ihren perlenden Gesang noch regelmäßig hören, denn sie sind auch ein Refugium für die selten gewordenen Singvögel.
Einst war die Feldlerche in Deutschland weit verbreitet. Wo es Offenland gab, war sie meist zu Hause und trug Frühling nicht nur ihren Gesang vor, sondern zog auch ihre Jungen auf. Mit ihrer Körpergröße von 18 – 19 cm ist diese Vogelart nicht sonderlich groß und auch ihr bräunlich gesprenkeltes Gefieder, das beide Geschlechter tragen, ist alles andere als auffällig. Doch mit ihren Gesangsdarbietungen hat sie seit jeher Naturliebhaber verzaubert.
Vom Boden oder von einer Sitzwarte – dies kann zum Beispiel ein Busch sein – schrauben sich die Männchen rasch immer höher, um im sogenannten Singflug ihre Strophen vom Himmel aus vorzutragen. Flughöhen um die 50 Meter sind dabei keine Seltenheit. Oft hört man den trillernden Gesang nur und sieht den Vogel kaum, weil er nur ein winziger Punkt irgendwo im Blau des Himmels ist. Zwischen drei und 15 Minuten kann eine solche Gesangsdarbietung dauern, am Ende lassen sich die Vögel im sehr schnellen Sinkflug zu Boden fallen und verstummen dabei.
Das Singen ist bei den Feldlerchen nicht nur Männersache. Weibchen singen ebenfalls, allerdings sehr viel leiser als die Männchen und nicht im Flug. Sie sitzen meist am Boden und zwitschern aus der Deckung heraus. In niedriger Vegetation können sich die recht kleinen Vögel gut verstecken und auf nacktem Boden sieht man sie wegen ihrer bräunlichen Gefiederfärbung ebenfalls meist nur dann, wenn sie sich bewegen.
Bestände im Sinkflug
Seit vor einigen Jahrzehnten die Landwirtschaft in Deutschland immer stärker intensiviert wurde, hatte es die Feldlerche hierzulande immer schwerer. Als Bodenbrüter sind diese Vögel darauf angewiesen, im Frühling zur Brutsaison ein störungsarmes Umfeld zu haben. Ist früher hin und wieder ein Bauer vorbeigelaufen, haben die Vögel diese Störung meist durchaus verkraftet. Doch fahren schwere Maschinen über ihr Nest, bleibt davon häufig kaum etwas übrig – das Schicksal der Eier oder der Küken ist dann häufig besiegelt.
"Doch damit nicht genug, die Feldlerchen finden außerdem in vielen Teilen des Landes heute kaum mehr genügend Nahrung", erklärt Thomas Spieker von Naturscouts Leinetal e.V. "Seit den 1970er Jahren befinden sich die Bestände dieser Vogelart quasi im Sinkflug, was auch auf den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zurückzuführen ist."
Etliche Insektenarten sind auf landwirtschaftlich genutzten Flächen vom Menschen unerwünscht, allerdings sind sie für Feldlerchen und andere Vogelarten des Offenlandes als Nahrung überlebenswichtig. Denn ab etwa Mitte April brauchen erwachsene Feldlerchen, die sich im Winter von Sämereien ernähren, für sich und auch für ihren Nachwuchs tierische Kost. Weil es heutzutage viel weniger Insekten als noch vor 100 Jahren gibt, werden auch die Feldlerchen kaum mehr satt und sind aus etlichen Landstrichen verschwunden.
"Zum Glück ist das in den Leinepoldern zwischen Einbeck und Northeim anders", so Spieker. "In dem Gebiet gibt es für die Vögel genügend Platz zum Brüten und jede Menge Nahrung, denn es kommt verglichen mit dem Umland eine Vielzahl von Insekten dort vor." Somit ist das Schutzgebiet nicht nur für Wasservögel ein wichtiges Refugium, für allerlei Singvogelarten ist es ebenfalls gewissermaßen eine "Oase des Lebens" in einer ansonsten oft strukturarmen und vogelfeindlichen Landschaft.
Der Feldlerche auf der Spur
Die bereits beschriebene Tarnfärbung ihres Gefieders sorgt dafür, dass am Boden rastende Feldlerchen oft übersehen werden. Aber zum Glück gibt es die Singflüge der Männchen. In den Leinepoldern zeigt keine andere Vogelart ein solches Verhalten, hoch oben am Himmel trillernd und perlend zu singen – eine Verwechslung der Feldlerche ist also nicht möglich.
"Damit man die Vögel beim Singen hoch oben in der Luft beobachten kann, ist ein Fernglas hilfreich. Sie stehen beim Trällern übrigens meist an einer Stelle in der Luft und schlagen dabei mit den Flügeln, um die Position zu halten", erklärt Spieker. Die freigegebenen Wege im Schutzgebiet zu verlassen, um den Vögeln näher zu sein, ist nicht gestattet – und das aus gutem Grund. "Als Bodenbrüter brauchen Feldlerchen sowie etliche andere Arten, die ebenfalls im Gras ihre Nester anlegen, gerade jetzt im Frühling Ruhe", so der engagierte Naturkenner Spieker. Aus dem Grund sollten nicht nur Menschen auf den Wegen bleiben, sondern vor allem auch die Vierbeiner, die sie in das Gebiet begleiten, sind an entsprechend kurzer Leine zu führen.
Wer gern Feldlerchen beobachten möchte, kann sich geführten Spaziergängen der Naturscouts anschließen. "Wir halten unterwegs Ausschau nach diesen ausdauernden gefiederten Sängern und natürlich auch nach anderen Sing- und Wasservögeln, die jetzt im Frühling gut in den Leinepoldern beobachten kann." Abgesehen davon lassen sich Schmetterlinge blicken, viele Pflanzen blühen und mit etwas Glück gelingt auch die eine oder andere Beobachtung von Säugetieren wie zum Beispiel Rehen.