Januar 2017: Weiße Wintergäste aus der Tundra - Singschwäne in den Leinepoldern
Im Winter bekommen die heimischen Höckerschwäne in den Leinepoldern Gesellschaft von weit gereisten ebenfalls weißen Verwandten. Singschwäne aus dem hohen Norden nutzen das Schutzgebiet zum Überwintern.
Für zahlreiche Wasservögel sind die Leinepolder zwischen Einbeck und Northeim im Winterhalbjahr ein idealer Lebensraum. Es gibt Gewässer, die nur selten vollständig zufrieren, und in der näheren Umgebung erstrecken sich weite, offene Flächen, auf denen sich beispielsweise die überwinternden Gänse gern zur Nahrungssuche aufhalten.
Zwischen den Enten und Gänsen schwimmen auf der Leine häufig auch einige Schwäne, die wegen ihres weißen Gefieders und der stattlichen Körpergröße weithin sichtbar sind. Im Winter gesellen sich zu den ganzjährig in der Region heimischen Höckerschwänen einige Verwandte aus dem hohen Norden: die Singschwäne. Für gewöhnlich treffen sie Ende November oder Anfang Dezember ein und bleiben bis Ende Februar oder Anfang März. Meist sind es maximal bis zu 15 oder 20 Tiere, doch es wurden in den vergangenen Jahren in der Gegend sogar schon bis zu 60 Individuen nachgewiesen.
Erkennungsmerkmal gelbe Schnabelbasis
Mit ihrer Körpergröße von 145 bis 150 cm sind Singschwäne ein wenig kleiner als Höckerschwäne. Ihre Flügelspannweite ist ebenfalls etwas geringer, sie beträgt bei den Singschwänen etwa zwei Meter. Männchen und Weibchen unterscheiden sich in ihrer Färbung nicht, die Weibchen sind lediglich ein wenig kleiner als die Männchen. Das wichtigste Erkennungsmerkmal der Singschwäne ist der gelbe Bereich im Gesicht: Die Nasenhaut und die Basis des Schnabels sind bei ihnen so gefärbt, wohingegen der restliche Schnabel schwarz ist. Mit dem Zwergschwan gibt es eine weitere Art, deren Schnabel gelb und schwarz ist. Allerdings kommt diese dritte Schwanenart nur sehr selten in Deutschland vor.
Erwachsene Singschwäne haben am gesamten Körper weiße Federn. Jugendliche Vögel aus der vorangegangenen Brutsaison tragen ein schiefergraues Gefieder. Bei jugendlichen Höckerschwänen ist das Federkleid hingegen bräunlich, sodass sich die noch nicht voll ausgefärbten Tiere beider Arten durchaus unterscheiden lassen.
Schwimmende Singschwäne, aber auch Individuen, die an Land umher laufen, halten ihren Kopf meist hoch erhoben und der Hals ist relativ gerade oder allenfalls geringfügig gebogen. Höckerschwäne, die wegen ihres wulstigen Höckers an der Schnabelbasis ihren Namen tragen, halten den Hals meist sehr viel stärker gebogen. Sicher ist dieses Erkennungsmerkmal allerdings nicht in sämtlichen Fällen, denn Tiere beider Arten können ihre Kopf- und Halshaltung variieren. Deshalb achtet man am besten auf die zuvor erwähnte gelbe Färbung der Schnabelbasis oder sperrt die Ohren auf. Denn tatsächlich verraten auch die Rufe oft, mit wem man es zu tun hat.
Anhand ihrer Lautäußerungen lassen sich Singschwäne meist gut erkennen. Sie sind recht ruffreudig und geben eine Reihe unterschiedlicher Rufe von sich. Typisch sind beispielsweise tiefe, nasal klingende Rufe, die an Posaunenklänge erinnern. Nähert sich ihnen ein Artgenosse, begrüßen sie diesen meist mit Gigigi-Lauten, die dem Geschnatter von Gänsen ähneln. Meist nur aus nächster Nähe zu hören sind die leisen Kontaktlaute innerhalb einer Gruppe, die wie "ga" oder "ang" klingen. Während sie fliegen, rufen viele Singschwäne ebenfalls, diese Rufe hören sich wie "kü kü kü" an. Insgesamt klingen Singschwäne recht angenehm, worauf auch ihr Name hinweist.
Apropos Name – die wohl poetischste Bezeichnung tragen diese majestätischen Vögel in einigen Gegenden in China, wo sich die im fernen Sibirien brütenden Singschwäne zum Überwintern einfinden. Die Chinesen bezeichnen die gefiederten Gäste als "Winterengel".
Manche der Wasservögel, die derzeit in den Leinepoldern beobachtet werden können, haben obendrein gewissermaßen so etwas wie einen individuellen "Namen": Sie sind zu wissenschaftlichen Zwecken beringt worden und können von ihren vielen für uns gleich aussehenden Artgenossen unterschieden werden. Einer der Singschwäne, die momentan in der Region überwintern, hat einen solchen Halsring mit der Nummer "2E94". Seit 2012 konnte dieser Vogel jeden Winter in den Leinepoldern gesichtet werden - er ist dem Gebiet also sehr treu. Der blaue Halsring verrät übrigens noch mehr über dieses Tier: Es ist am 27. Juli 2011 in Lettland beringt worden.
Schwäne bestens im Blick
Wer die schönen Vögel sehen möchte, sollte am besten ein gutes Fernglas oder ein Beobachtungsfernrohr (Spektiv) nutzen. Wie viele andere der im Schutzgebiet überwinternden Wasservögel sind die Singschwäne recht scheu und störungsanfällig. Sie halten sich deshalb für gewöhnlich nicht in der Nähe der Wege auf. Fernglas oder Spektiv sind somit ideale Helfer beim Beobachten der Vogelwelt der Leinepolder. "Freie Sicht auf die Geschiebesperre Hollenstedt, wo sich oft auch einige Singschwäne aufhalten, hat man vom Beobachtungsturm am Rande dieses Teilstücks des Naturschutzgebiets", erklärt Thomas Spieker von Naturscouts Leinetal e.V. Manchmal halten sie sich aber auch anderswo auf, zum Beispiel auf den Kiesseen. "Es gibt im Gebiet an mehreren günstigen Stellen Beobachtungswände und -türme, von denen aus man die Tiere gut im Blick hat, ohne sie zu verängstigen."
Es sei wichtig, diese Plätze für die Beobachtung zu nutzen und die Wege nicht zu verlassen, um die Vögel nicht aufzuscheuchen, erläutert der Naturscout Spieker. "Schon die kleinste Störung veranlasst die überwinternden sowie viele der heimischen Wasservögel dazu, panisch aufzufliegen. Bei diesen Flügen verlieren die Vögel kostbare Energie, die die Zugvögel unter ihnen im Spätwinter für ihre lange Reise in die nördlich gelegenen Brutgebiete benötigen." Wo sich die Beobachtungspunkte befinden, ist auf Naturerlebnis-leinepolder.de oder in der kostenlosen App zum Gebiet nachzulesen. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich einer geführten Wanderung der Naturscouts anzuschließen. Die Naturkenner haben immer viel Spannendes über Singschwäne und andere tierische Bewohner des Naturschutzgebiets zu berichten.
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