August 2017: Blaukehlchen & Co. in den Leinepoldern
Das Rotkehlchen ist einer der bekanntesten heimischen Vögel. Dagegen sind andere hierzulande vorkommende Singvogelarten mit auffällig gefärbter Kehle vielen Menschen nicht bekannt. In den Leinepoldern lassen sie sich mit etwas Glück beobachten.
Es ist vor allem der Artenreichtum bei den Wasservögeln, für den das Naturschutzgebiet zwischen Einbeck und Northeim bekannt ist. Weil die meisten Vogelarten relativ groß sind oder insbesondere im Winter in teils riesigen Gruppen in dem Areal anzutreffen sind, ziehen sie die Aufmerksamkeit der Naturbeobachter leicht auf sich.
Etwas genauer hinschauen muss, wer in dem weitläufigen Gebiet Singvögel sehen möchte. Nicht nur, dass sie wegen ihrer geringeren Größe schwerer zu finden sind als Wasservögel. Bei ihnen kommt hinzu, dass sie sich häufig in der Vegetation aufhalten und dadurch besser vor Blicken geschützt sind als auf der Leine schwimmende Wasservögel.
Trotzdem lohnt es sich, bei einem Spaziergang das Augenmerk auf die kleinen gefiederten Bewohner zu richten. Unter ihnen gibt es besonders hübsche sowie einige selten gewordene Arten, die wegen ihrer jeweiligen Färbung der entsprechenden Körperpartie als "Kehlchen" bezeichnet werden.
Ganzjährig im Gebiet: das Rotkehlchen
Wo es in den Leinepoldern Gebüsche und Bäume gibt, dort lebt meist auch das Rotkehlchen. Weil es im Siedlungsraum ebenso wie in der freien Natur vorkommt, ist es vielen Menschen bekannt. Sein rundlicher Körperbau mit den braunen Gefieder und dem großen, orangeroten Latz sind Merkmale, die keine andere in Deutschland heimische Vogelart aufweist. Deshalb sind diese circa 14 Zentimeter großen Vögel auch in den Leinepoldern unverwechselbar. Männchen und Weibchen sehen bei diesen Tieren gleich aus. Und im Winter singen sogar auch die Weibchen.
"Das gesamte Jahr über leben Rotkehlchen in dem Naturschutzgebiet", erklärt Thomas Spieker von Naturscouts Leinetal e. V. Allerdings handelt es sich bei ihnen um sogenannte Teilzieher. Einige Individuen bleiben ganzjährig in ihrem Brutareal, andere ziehen im Herbst gen Süden. "Dadurch kann es den Anschein erwecken, man habe es in den Leinepoldern oder im heimischen Garten immer mit denselben Rotkehlchen-Individuen zu tun", so Spieker. "Aber tatsächlich kann es durchaus sein, dass die im Sommer beobachteten Tiere wegziehen und im Winter dafür Artgenossen aus dem Norden nachrücken, ohne dass es uns bewusst ist."
Weil Rotkehlchen meist wenig scheu sind, kann man sie im Gebiet oft gut beobachten. Es reicht häufig schon, die Bäume und Büsche neben den Wegen im Blick zu behalten – oder den Boden in deren Umgebung. Denn dort gehen Rotkehlchen gern auf die Suche nach kleinen Tieren, von denen sie sich ernähren. Es ist also nicht nötig, die Wege zu verlassen, um diese Vögel besser betrachten zu können. Abgesehen davon ist das ohnehin aus gutem Grund verboten: Wer sich in den Poldern abseits der Wege aufhält oder seinen nicht angeleinten Hund dort umher laufen lässt, stört die Wildtiere erheblich.
Viel sinnvoller und vor allem verantwortungsvoller in Bezug auf die Natur ist es, mit einem Fernglas oder einem Beobachtungsfernrohr (Spektiv) von den zugelassenen Wegen oder Beobachtungsständen aus die Vögel zu betrachten. Für Beobachtung der weiteren im Gebiet vorkommenden und recht scheuen "Kehlchen"-Arten sind solche Hilfsmittel meist unabdingbar.
Extravaganter Sommergast: das Blaukehlchen
In etwa genauso groß wie das Rotkehlchen, dabei aber ein wenig schlanker gebaut ist das Blaukehlchen. Während des Sommerhalbjahrs sind die Männchen dieser Vogelart besonders prächtig gefärbt, die Weibchen sehen ganzjährig relativ schlicht aus. Bei beiden Geschlechtern trägt die Oberseite des Körpers graubraune Federn und am Bauch ist das Gefieder cremefarben bis schmutzig-weiß.
Männliche Blaukehlchen sind im Prachtkleid am Kinn, an der Kehle und an der oberen Brust auffällig blau gefärbt. Die Federn weisen einen seidigen Glanz auf. Auch die beiden Bartstreifen sind bläulich. Ein kleines Stück unterhalb der Kehle befindet sich ein andersfarbiger Fleck in dem blauen "Latz". Es kommen Blaukehlchen mit weißen und welche mit rotem Fleck vor, was davon abhängt, wo sie innerhalb ihres großen Verbreitungsgebiets leben. In den Leinepoldern lassen sich für gewöhnlich Tiere mit einem weißen Fleck beobachten. Sie werden als Weißsternige Blaukehlchen bezeichnet, die Vögel mit dem roten Fleck heißen entsprechend Rotsternige Blaukehlchen.
Der blaue "Latz" ist nicht der einzige Schmuck der Männchen. An seinen unteren Rand schließt ein bräunliches bis schwarzes Brustband an. Weibchen haben ein nur schwach angedeutetes Brustband und ihr "Latz" ist beige-bräunlich bis weißlich gefärbt. Bei einigen Individuen kann dieser Bereich teilweise leicht bläulich gefärbt sein. Jungtiere ähneln den Weibchen.
"Blaukehlchen halten sich gern in der Röhrichtzone auf, deshalb sollte man diese mit dem Fernglas oder Spektiv absuchen", erklärt Spieker. "Weil diese Vögel sehr scheu sind, würde es nichts bringen, sich ihnen zu nähern, selbst wenn es in dem Naturschutzgebiet das Wegegebot nicht geben würde."
Noch bis zum Herbst kann in den Leinepoldern nach diesen schönen Vögeln Ausschau gehalten werden, den Winter werden sie im Süden verbringen. Wer sich nicht zutraut, die Blaukehlchen selbst zu finden, kann sich geführten Exkursionen der Naturscouts Leinetal anschließen und erhöht dadurch seine Chancen, diese schönen Vögel und andere faszinierende Arten zu sehen zu bekommen.
Scheuer Durchzügler: das Schwarzkehlchen
In einigen Gegenden Mitteleuropas brüten während der warmen Jahreshälfte Schwarzkehlchen, den Winter verbringen diese Vögel in Süd- und Westeuropa. Von Ende September bis etwa Anfang November besteht ein wenig Glück vorausgesetzt die Möglichkeit, rastenden Individuen in den Leinepoldern zu begegnen. Nach dem Winter ziehen sie dann wieder im März und April durch.
Wie es der Name vermuten lässt, haben Schwarzkehlchen eine schwarze Kehle – allerdings gilt dies lediglich für die Männchen im Prachtkleid beziehungsweise Brutkleid. Genau genommen ist bei ihnen nicht nur die Kehle schwarz, sondern darüber hinaus der gesamte Kopf- und Nackenbereich. An der Brust ist das Gefieder rötlich-bräunlich gefärbt. Zwischen diesem Bereich und der schwarzen Kehle erstreckt sich ein weißes Band, das an den Seiten breiter ist als vorn. Der untere Bauch trägt weißliche Federn und auf der Körperoberseite sind sie dunkelbraun.
Weibliche Schwarzkehlchen haben oberseits bräunliche Federn und ihre Körperunterseite ist hell rötlichbraun und weißlich befiedert. Am Kopf und an der Kehle sind die Federn braun. Jugendliche Braunkehlchen sehen den Weibchen ähnlich. Mit ihrer Körpergröße von zwölf Zentimeter ist diese Vogelart geringfügig kleiner als das weit verbreitete Rotkehlchen. Weil die Tiere sehr scheu sind, sind auch sie ohne Fernglas oder Spektiv nur schwer zu finden – ebenso wie die vierte "Kehlchen"-Art der Leinepolder.
Gefährdeter Zugvogel: das Braunkehlchen
Ein weiterer gefiederter Sommergast Mitteleuropas, der im Frühling und Herbst in den Leinepoldern als Durchzügler beobachtet werden kann, ist das Braunkehlchen. Es ist circa 13 – 14 Zentimeter groß und sein Federkleid ist in unterschiedlichen Braunschattierungen gefärbt. Bei den Männchen sind die Federn auf der Körperoberseite recht kräftig dunkelbraun und die Tiere zeigen einen kontrastreichen, hellen und recht breiten Überaugenstreif. Außerdem haben sie einen weißen Kinnstreif. Weibchen haben ein weniger kontrastreiches Gefieder. Typisch für sie ist aber auch der auffällige Überaugenstreif.
"Weil immer mehr Lebensraum der Braunkehlchen zerstört wird, gelten diese Vögel in Deutschland inzwischen als stark gefährdet", erläutert Thomas Spieker. "Für uns ist es wichtig zu erfahren, wann sich die Tiere in dem Naturschutzgebiet an der Leine zeigen. Deshalb möchten wir jeden Naturfreund dazu anhalten, Beobachtungen von Braunkehlchen und anderen Tier- und Pflanzenarten zu melden", so der Naturscout.
Sichtungen können einerseits via www.naturgucker.de gemeldet werden oder aber per Smartphone. "Es gibt hierfür die kostenlose Gebietsführer-App ‚Naturerlebnis Leinepolder‘, die sowohl für Android als auch für iOS verfügbar ist. Mit ihr können unterwegs Beobachtungen erfasst werden, ohne dass ein Zugang zum mobilen Internet erforderlich ist", führt Spieker aus. Details zur App finden sich im entsprechenden Kapitel.
Alle gemeldeten Beobachtungen helfen den Gebietsbetreuern, die Situation der Tiere und Pflanzen im Naturschutzgebiet besser einzuschätzen. Somit kann jeder Naturbegeisterte ganz einfach einen eigenen unterstützenden Beitrag zum Naturschutz leisten.