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April 2017: Orchideen im Umland der Leinepolder

Ihre faszinierend geformten und gefärbten Blüten bescheren den Orchideen große Bewunderung. Im Umland der Leinepolder gibt es mehrere Stellen, an denen man einige heimische Arten teils in großer Zahl bestaunen kann.

Als Zimmerpflanzen sind hierzulande vor allem Phalaenopsis-Orchideen sehr beliebt. Diese Schmetterlingsorchideen und ihre Hybriden haben ihren Ursprung in Südostasien und dem nördlichen Australien. Die tropischen Gewächse sind sicherlich hübsch anzusehen. Doch unsere heimischen Arten können in Sachen Schönheit locker mithalten und es lohnt sich, im Frühling nach ihnen Ausschau zu halten.

Gar nicht weit von den Leinepoldern entfernt, gibt es mehrere Wuchsorte mit herrlichen Orchideenwiesen, die einen Ausflug nicht nur wegen der Pflanzen lohnen. Die Aussicht auf die Landschaft und auch die Tierwelt sind weitere Aspekte, die einen Frühlingsspaziergang Ende April und insbesondere im Mai zu einem besonderen Genuss werden lassen.

Standortspezialisten

Dass sich die Vorkommen der Orchideen auf bestimmte, relativ kleine Gebiete konzentrieren, hat einen entscheidenden Grund, weiß Thomas Spieker von Naturscouts Leinetal e.V.: "Etliche unserer heimischen Arten gedeihen am besten auf kalkhaltigen Halbtrockenrasen, die nicht zu reich verbuscht sind. Wo sich solche Bedingungen finden, also der passende Boden vorhanden ist sowie genügend Licht und Wärme vorherrschen, gibt es eine entsprechend große Orchideenvielfalt."

Jene Wiesen, auf denen diese Pflanzen ihr Auskommen finden, sind durch den Einfluss der Menschen entstanden. Der Boden an diesen Stellen ist nicht nur nährstoffarm, sondern zu flachgründig für den Ackerbau. Auf einem Kalksockel befindet sich dort nur eine sehr dünne Humusschicht, die nicht einmal gepflügt werden könnte. Hinzu kommt, dass sich solche Wiesen oft an Hängen befinden, was eine Nutzung als Ackerfläche zusätzlich erschwert.

Schon vor langer Zeit wurde deshalb damit begonnen, solche Wiesen als Weideflächen für Nutzvieh zu verwenden. Indem die grasenden Vierbeiner die nachwachsenden Pflanzen kurz gehalten haben, wurde einer Verbuschung der Landschaft entgegengewirkt. Denn überließe man eine Wiese sich selbst, würde dort mit der Zeit Wald entstehen – und damit würde folglich der Lebensraum der auf Kalkmagerrasen gedeihenden Orchideen verschwinden. "Das heißt, die Orchideen brauchen auch heute Hilfe, damit ihr Lebensraum nicht verbuscht, was entsprechende Pflegemaßnahmen an den Wuchsorten dieser Pflanzen erforderlich macht", erläutert Spieker die Notwendigkeit weiterer Eingriffe in diesen speziellen und durch den Menschen geprägten Lebensraum.

Schöne Aussicht und Pflanzenpracht

Wie beeindruckend eine Orchideenwiese in Hanglage sein kann, lässt sich am Altendorfer Berg östlich von Einbeck erleben. Weil das umliegende Land größtenteils sehr flach ist, bietet sich von diesem Naturschutzgebiet aus ein herrliches Panorama – der Blick kann über das Leinetal schweifen und bei guten Sichtbedingungen reicht er nach Northeim und am Horizont bis Göttingen.

Von den Wegen aus lassen sich auf dem Halbtrockenrasen des Altendorfer Bergs leicht mehrere Orchideenarten ausmachen, was nicht verwundert, denn es handelt sich hier um eines der orchideenreichsten Gebiete in Niedersachsen. Unter den dort anzutreffenden Pflanzen sind das Stattliche Knabenkraut (Orchis mascula), das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris) und das Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea).

Betrachtet man die wissenschaftlichen Namen dieser drei Arten, fällt sogleich eine Gemeinsamkeit auf. Sie beginnen alle mit Orchis. Das bedeutet, die drei Arten sind sehr eng miteinander verwandt und gehören derselben Gattung an. Deshalb bilden das Helm-Knabenkraut und das Purpur-Knabenkraut auf der Orchideenwiese am Altendorfer Berg Hybriden.

Neben einigen weiteren schönen Arten kommt an dem Hang außerdem die faszinierende Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera) vor. Wer ihre aufwendig geformten Blüten betrachtet, kann darin mit ein wenig Fantasie die Umrisse eines Fluginsekts erkennen. Noch dazu verströmt diese Orchideenart einen Duft, der bestimme Grabwespen anlockt – somit wäre Grabwespen-Ragwurz eigentlich die treffendere Bezeichnung. So manches Grabwespenmännchen fällt auf den Trick rein und hält das Blütenblatt wegen des Duftes und des Aussehens für ein Weibchen. 2Kaum ist sie gelandet, werden die Pollenpakete an die paarungswillige Wespe geheftet, die sie dann hoffentlich zur nächsten Blüte trägt", weiß Thomas Spieker.

Außer Orchideen wachsen auf dem Halbtrockenrasen wegen seiner Nährstoffarmut zahlreiche weitere Pflanzen, die auf überdüngten Wiesen keine Chance haben. Wegen des Blütenreichtums ist der Altendorfer Berg somit ein wichtiger Lebensraum für allerlei Insekten. Fast 60 Schmetterlingsarten sind dort beispielsweise laut naturgucker.de bis zum Frühling 2017 nachgewiesen worden. Unter ihnen sind Schönheiten wie der Schwalbenschwanz (Papilio machaon). Im April und Mai lässt sich dort außerdem der Nagelfleck (Aglia tau) beobachten, ein tagaktiver Nachtfalter, der oft mit dem Kaisermantel (Argynnis paphia) verwechselt wird. Letzterer fliegt aber erst später im Jahr und ist ebenfalls am Altendorfer Berg beheimatet.

Wer das weitläufige Gebiet erkunden möchte, sollte etwas Zeit mitbringen. Es ist vergleichsweise groß und die Natur hat sehr viel zu bieten. Zugänglich ist das Naturschutzgebiet sowohl von Einbeck als auch von Negenborn. Doch bei aller Begeisterung für die artenreiche Natur gilt: Die Wege dürfen in dem Naturschutzgebiet nicht verlassen werden.

Vielfalt am Dohrenberg

Nur wenige Gehminuten von Salzderhelden entfernt, erstreckt sich am Hang des Dohrenbergs eine weitere Orchideenwiese, die mit beeindruckender Vielfalt aufwartet. Auf dem Kalkmagerrasen kommen im Großen und Ganzen dieselben Orchideenarten wie am Altendorfer Berg vor. Weil das Gebiet insgesamt kleiner ist, lassen sie sich vom Weg aus noch bequemer beobachten. Um Einblicke in die Artengemeinschaft dieses Lebensraums zu erhalten, ist das Gebiet ideal, zumal es dort auch Infotafeln mit Texten zu den Pflanzen und Tieren gibt.

Schmetterlinge wie der Ehrenpreis-Scheckenfalter (Melitaea aurelia) sind am Dohrenberg ebenfalls heimisch und daneben kommen auf diesen kargen Lebensraum spezialisierte Käferarten vor. Der trockene, sonnenbeschienene Boden ist beispielsweise ideal für den metallisch glänzenden und grün gefärbten Feld-Sandlaufkäfer (Cicindela campestris), der meist lieber flink umher rennt als zu fliegen. "Und wenn er - oder andere Insekten - mal nicht schnell genug ist, dann kann es passieren, dass er als Beute der Zauneidechse (Lacerta agilis) endet, die ebenfalls am Hang des Dohrenbergs beheimatet ist. Allerdings ist sie leider selten geworden, weil sie von der in dem Gebiet ausgesetzten Mauereidechse (Podarcis muralis) verdrängt wurde", klärt Thomas Spieker über einen umstrittenen Eingriff des Menschen in die Natur auf.

Ähnlich problematisch verhält es sich mit der dort von Menschen angepflanzten Gewöhnlichen Hummel-Ragwurz (Ophrys holoserica), wobei die Anwesenheit dieser ursprünglich dort nicht vorkommenden Orchideenart jedoch andere Auswirkungen hat als im Fall der Eidechsen. Die Gewöhnliche Hummel-Ragwurz hybridisiert in hohem Maße mit der Fliegenragwurz, sodass diese am Dohrenberg in ihrer reinen Form nach und nach verschwindet.

Weitere Ziele für Pflanzen- und Orchideenfreunde

Am Mäuseberg südlich von Northeim lässt sich ebenfalls eine große Orchideenpopulation beobachten. Dort kann man im Frühling mehrere hundert Exemplare der Fliegenragwurz bestaunen. In den Wäldern der Umgebung wächst darüber hinaus das Weiße Waldvögelein (Cephalanthera damasonium), eine etwas schlichtere, aber nicht minder attraktive Pflanzenart.

Ein beeindruckender Anblick bietet sich außerdem in einem Gebiet der Weper bei Fredelsloh, wenn man dort im April oder Mai den Trockenrasen aufsucht. Dann blühen hunderte Exemplare des Stattlichen Knabenkrauts. Auch der Lothringer Lein (Linum leonii) ist dort zu finden. Er ist eine botanische Besonderheit, denn in dieser Gegend findet sich die nordöstliche Verbreitungsgrenze dieser Pflanzenart. Bei Fredelsloh kann man sie ganz sicher beobachten, vermutlich kommt sie aber in den drei zuvor genannten Gebieten ebenfalls vor. Diese Beispiele zeigen: Es lohnt sich also in jedem Fall, die Pflanzen und Tiere abseits der Leinepolder zu erkunden.