August 2016: Das große Krabbeln in den Leinepoldern
Keine andere Tiergruppe ist so artenreich wie die der Insekten. Abgesehen von einigen aus unserer Perspektive hübschen Arten wie beispielsweise Marienkäfern oder bunten Tagfaltern werden die meisten Insekten entweder übersehen oder ihnen schlägt Abneigung entgegen. Das ist schade, denn viele dieser kleinen Tiere sind ausgesprochen interessant und in den Leinepoldern kann man sie im Sommer in ihrer natürlichen Umgebung beobachten.
Nach ein wenig Ruhe vom Alltag sehnen sich viele Menschen. Wie wäre es denn mal damit, in die Natur zu gehen und an einer Sommerwiese einzelne Blüten eine Weile lang zu beobachten, um die fliegenden und krabbelnden Besucher dieser "Nektartankstellen" kennenzulernen? "Betrachtet man zum Beispiel eine Pflanze mit flach und breit angeordneten Doldenblüten, sieht man gleich, dass sie wie eine Landeplattform wirken, auf der sich Fluginsekten wie kleine Helikopter von oben niederlassen können", erklärt Thomas Spieker von Naturscouts Leinetal e.V. "Außerdem gibt es Blüten mit röhrenförmigen Kelchen, aus denen nur Insekten mit einem langen Saugrüssel Nektar schlürfen können, zum Beispiel Schmetterlinge oder auch Hummeln. Letztere gehören zu den wichtigsten Bestäubern in unserer heimischen Natur", so der Naturscout. Diese und andere Details aus dem Zusammenspiel zwischen Insekten und Pflanzen lassen sich leicht selbst beobachten, wenn man sich ein wenig Zeit nimmt und auf die "Kleinigkeiten" am Wegesrand konzentriert.
Täuschen und Hochstapeln
Den Trick mit der Täuschung haben viele Schwebfliegen wirklich gut drauf. Ihre oft sehr auffällige, schwarz-gelbe Körperfärbung suggeriert, dass sie giftig und gefährlich sind – sehen denn nicht auch Wespen so aus? Es gibt jedoch keineswegs nur Schwebfliegen, deren Aussehen an Wespen erinnert. Manche dieser harmlosen Fliegen ahmen das Aussehen von Hummeln bis hin zur dichten Behaarung perfekt nach. Schaut man einem nach Hummel oder Wespe aussehenden Insekt aufs Gesicht, kann man leicht erkennen, ob man es mit einer "hochstapelnden" Schwebfliege zu tun hat. Sie haben wie alle Fliegen sehr große Facettenaugen, die das Gesicht dominieren. Außerdem fehlen ihnen die langen Fühler, die für Wespen und Hummeln typisch sind.
Vor Wespen, die im Sommer Blüten aufsuchen, muss man übrigens meist nicht davonlaufen. In unserer Natur kommen mehrere Arten vor und es sind längst nicht alle so aggressiv wie die Wespen, die beim Grillfest im Garten etwas vom Würstchen erwischen wollen oder die in Bäckereien die Kuchenglasur anknabbern.
"In den Leinepoldern leben zum Beispiel Feldwespen, die sich von anderen Insekten sowie von Blütennektar ernähren und Menschen gegenüber normalerweise nicht aggressiv sind", weiß Thomas Spieker. Feldwespen bauen in Wiesen relativ kleine Nester, deren Waben gut sichtbar sind. Diese Nester hängen jeweils an einem kleinen Stiel und haben meist nur relativ wenige Zellen (Waben).
Bunte und weiße Gaukler
An warmen und eher windstillen Sommertagen sind viele Schmetterlinge aktiv. In den Leinepoldern finden sie nicht nur eine ganze Reihe von Blüten, die den erwachsenen Tieren Nektar liefern, sondern darüber hinaus die für ihre Raupen passenden Futterpflanzen. Weithin sichtbar sind die Weißlinge, bei denen die Flügel meist fast vollständig oder überwiegend weiß sind. Es kommen mehrere Arten vor, darunter der Große und der Kleine Kohlweißling sowie der Grünader-Weißling. Wer wer ist, lässt sich aus einiger Entfernung nicht immer erkennen. Da hat man es mit den bunten Edelfaltern wie dem schwarz, rot und weiß gefärbten Admiral schon leichter.
Hübsche blaue Farbtupfer zaubern die Bläulinge mit ihrem gaukelnden Flug in die Landschaft. Aber diese kleinen Falter haben eine Überraschung auf Lager: Obwohl sie Bläulinge heißen, sind sie keineswegs alle blau gefärbt. „Insbesondere die Weibchen vieler Bläulingsarten haben braune Flügel und bei manchen befinden sich darauf schmale Reihen aus orange gefärbten Punkten“, erläutert der Naturscout Spieker - ein Detail, das er und seine Kolleginnen und Kollegen während geführter Wanderungen interessierten Spaziergängern gern näherbringen.
Begnadete Flieger
Versucht man dem Flug einer Libelle mit dem Blick zu folgen, wird sofort deutlich, wie akrobatisch sich diese Tiere fortbewegen. Sie schlagen Haken, fliegen rasante Kurven und manchmal sogar rückwärts. Möglich ist dies, weil sie ihre beiden Flügelpaare unabhängig von einander bewegen können. Das macht Libellen zu den wendigsten Fluginsekten überhaupt.
Während des Sommers lassen sich mehrere Arten dieser faszinierenden Tiere in den Leinepoldern und in unmittelbarer Nähe des Gebiets beobachten, unter ihnen der zu den Großlibellen gehörende Plattbauch. Typisch für diese 40 - 45 mm langen Tiere ist der flache Hinterleib. Bei voll ausgefärbten Männchen ist der Hinterleib wachsartig blau und bei den Weibchen ist er bräunlich. Junge Individuen beider Geschlechter zeigen an den Flanken gelbliche Flecken.
Libellen ernähren sich von Insekten, die sie für gewöhnlich im Flug fangen. Bei den Großlibellen kommen die Beine als Fangkorb zum Einsatz, sie werden wie ein Käfig um die Beute gestülpt, die oft sogleich im Flug gefressen wird.
Zirpenden Grasbewohner
Deutlich weniger wendig sind die vielen Heuschrecken, die während der warmen Monate die Wiesen und Gebüsche in den Leinepoldern bevölkern - und im Sommer 2016 wurden bislang besonders viele von ihnen in dem Gebiet beobachtet. Es werden zwei Gruppen unterschieden, die jeweils mehrere Arten umfassen. Die Kurzfühlerschrecken sind an ihren kurzen, meist recht dicken Fühlern zu erkennen. Zu ihnen gehören die verschiedenen Grashüpfer-Spezies, die sich zumeist am Boden oder in niedriger Vegetation aufhalten.
Indem sie ihre Hinterbeine an Adern ihrer Vorderflügel reiben, erzeugen sie den für sie typischen „Gesang“. Bei genauem Hinhören lassen sich Unterschiede in den Tonfolgen erkennen, die jeweils charakteristisch für die einzelnen Arten sind. Wie Vögel lassen sich viele Heuschrecken anhand ihrer Lautäußerungen bestimmen.
Fadenförmig und lang sind die Fühler der zweiten Gruppe dieser Tiere, die deshalb auch als Langfühlerschrecken bezeichnet wird. Einige Arten leben im Gras, andere in Gebüschen oder sogar auf Bäumen. Das Große Heupferd oder Grüne Heupferd ist eine der größten in Mitteleuropa heimischen Langfühlerschrecken und es kommt zwischen Einbeck und Northeim in der Natur durchaus häufig vor. Männchen sind 28 - 36 mm lang, die Weibchen haben eine Körperlänge von 32 - 42 mm. Sie sind an ihrem Legebohrer zu erkennen, der aus dem Hinterleib ragt. Nicht nur weibliche Große Heupferde haben ein solches Körperanhängsel, sondern auch viele andere Heuschreckenarten. Mit diesem Legebohrer platzieren sie ihre Eier an geeigneter Stelle, sie können damit nicht stechen und sind für Menschen somit nicht gefährlich.
Viele Heuschreckenarten können übrigens fliegen und vor allem beim Großen Heupferd ist diese Fortbewegung mit einem rasselnden Geräusch verbunden. Diese haben nichts mit den Gesängen zu tun, die je nach Art etwas unterschiedlich erzeugt werden, zum Beispiel durch das Aneinanderreiben der Vorderflügel. All dies und mehr lässt sich im Sommer in den Leinepoldern beobachten.
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