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Leben auf großem Fuß – Blässhühner in den Leinepoldern

Mit ihrem dunklen, graubraunen Gefieder sind Blässhühner nicht gerade ein Blickfang. Trotzdem lohnt es sich, bei diesen Wasservögeln genauer hinzuschauen. Sie zeigen einige Besonderheiten in ihrer Anatomie und in ihrem Verhalten, die sich beispielsweise in den Leinepoldern beobachten lassen.

Bei den Blässhühnern führt der volkstümliche Name uns aufs Glatteis, denn obwohl sie so heißen, sind diese Vögel keine Hühner. Zu den Entenvögeln gehören sie ebenfalls nicht, und das obwohl sie sehr gute Schwimmer sind. Ein weiterer gebräuchlicher Name für diese Vogelart lautet Blässralle. Er zeigt verlässlich den Verwandtschaftshintergrund an: Diese schwarzen Wasservögel sind Mitglieder der Familie der Rallen.

Typisch für Rallen ist, dass sie sich gern und häufig am Boden aufhalten – oder im Fall der Blässhühner außerdem auf dem Wasser. Während sie schwimmen, fallen nicht alle charakteristischen Merkmale dieser Vögel auf. Vor allem wenn sie sich an Land zu Fuß fortbewegen, lässt sich ihr Körperbau gut studieren.

Besondere Schwimmhilfen

Etwa 36 bis 42 cm beträgt die Körpergröße dieser Vogelart, bei der beide Geschlechter gleich aussehen. Wegen des kurzen Schwanzes und des vergleichsweise kurzen Halses wirken Blässhühner insgesamt rundlich. Ihr Kopf ist vergleichsweise klein und an ihm tragen sie ihren einzigen Schmuck: Über dem hellen, hornfarben bis zartrosa gefärbten Schnabel befindet sich an der Stirn ein weißer Hornschild, der als Blässe bezeichnet wird und sich im Namen der Vogelart widerspiegelt. Rötlichbraun bis dunkelbraun ist die Iris gefärbt.

Bei erwachsenen Blässhühnern ist das Federkleid dunkel graubraun bis schiefergrau gefärbt. An der Kehle kann es bläulich bis olivfarben schimmern und am Kopf sind die Federn mattschwarz. Jugendliche Individuen haben auf der Oberseite des Körpers braunschwarze Federn. Die untere Gesichtshälfte, der Hals, die Kehle und die Brust sind bei ihnen schmutzig weiß. Der Hornschild ist erst schwach entwickelt, woran sie sich ebenfalls von Altvögeln unterscheiden lassen.

Recht lang sind die Beine der Blässhühner. Sie sind farblich variabel, sie können aschgrau, blass grünlichgelb bis leuchtend gelb gefärbt sein. Bei älteren Individuen ist das Fersengelenk meist kräftig braun gefärbt. Drei der vier Zehen dieser Vögel sind lang und weisen nach vorn, der deutlich kürzere vierte Zeh zeigt nach hinten. An den drei vorderen Zehen befinden sich breite, gerippte Schwimmlappen, die meist oliv bis grau gefärbt sind.

"Dank dieser Lappen an den Zehen können Blässhühner nicht nur gut schwimmen, auch ihr Gewicht verteilt sich beim Gehen auf einer großen Fläche. Dadurch können sie über größere Seerosenblätter gehen, ohne diese unter Wasser zu drücken und unterzugehen", erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e.V. "Lediglich die mit ihnen verwandten Teichhühner beherrschen diese Kunst noch besser als die Blässhühner."

Ans Wasser gebunden

Sowohl an stehenden als auch an langsam fließenden Gewässern fühlen sich Blässhühner heimisch. Wenn sie an Land gehen, halten sie sich meist in der Nähe des von ihnen bewohnten Gewässers auf, um es bei drohender Gefahr mit schnellen Schritten erreichen zu können. "Zwar sind Blässhühner flugfähig, aber wenn es sich einrichten lässt, gehen sie lieber zu Fuß", so Spieker.

Bei ihren Landgängen suchen sie den Boden nach Fressbarem ab. Ihren aufmerksamen Blicken entgehen dabei weder saftige Pflanzenteile, noch kleine Tiere wie Schnecken, Würmer oder Insekten. Weil sie Allesfresser sind, können Blässhühner in Mitteleuropa das gesamte Jahr über in ihrem angestammten Gebiet bleiben und müssen nicht in den Süden ziehen.

"Dabei kommt es den Vögeln entgegen, wenn sie in der kalten Jahreszeit ein eisfreies Gewässer finden – wie beispielsweise die Leine an der Geschiebesperre", erklärt der Naturkenner Spieker. "Wenn anderenorts die Gewässer zufrieren, kann es vorkommen, dass viele Blässhühner von dort ins Naturschutzgebiet oder zum Großen Kiessee bei Northeim kommen und sich zu den hier lebenden Artgenossen gesellen. Deshalb fallen im Winter oft große Blässhuhn-Ansammlungen auf."

Rabiate Umgangsformen

Sind Blässhühner entspannt, kann man sie manchmal dabei beobachten, wie sie einem Artgenossen – möglicherweise ihrem Partner – mit dem Schnabel das Kopfgefieder kraulen. Solche ruhigen, innigen Momente sind bei diesen Vögeln allerdings eher nicht die Regel. Kommen ihnen andere Blässhühner zu nahe, kann es zu energischen Drohgebärden kommen: Sie schwimmen dann aufeinander zu, wobei sie den Kopf senken und die Flügel leicht aufrichten, um größer zu wirken.

Meist reicht das schon, um den Schwächeren zum Nachgeben zu bringen. Doch gerade im Spätwinter und zeitigen Frühling, wenn die Reviere für die bevorstehende Brutsaison besetzt werden, ist ein überaus rabiates Verhalten zu beobachten. Bei den Revierkämpfen wird mit vollem Körpereinsatz auf den Kontrahenten eingedroschen. "Die beiden streitenden Vögel schwimmen aufeinander zu und versuchen den Gegner mit den Füßen so heftig gegen die Brust zu treten, dass er kentert oder unter Wasser gedrückt werden", beschreibt Spieker dieses "Kickboxen" im Wasser. Zuweilen gehen sie auch an Land in dieser Weise aufeinander los, dann wird im Sprung gegen die Brust des „Sparringspartners“ getreten.

Von den Beobachtungsplätzen rund um die Leinepolder aus lassen sich diese Revierstreitigkeiten oft gut beobachten, wobei ein Fernglas hilfreich sein kann, um die Details besser zu erkennen. "So verlockend es auch sein mag, Besucher des Gebiets sollten nicht einfach die Wege verlassen und an die Gewässerränder treten, um von dort aus einen besseren Blick auf die Vögel zu haben", bittet Spieker. In dem Naturschutzgebiet herrscht ein Wegegebot, das sowohl für Menschen als auch für die sie begleitenden Vierbeiner gilt. Hunde sind somit an der Leine zu halten, um die Wildtiere nicht zu stören.

Brüten in Ufernähe

Sind die Reviere besetzt, beginnen die Blässhühner im Frühling mit der Brut. Häufig startet die Brutsaison schon im März/April, wobei die Eier in Nester gelegt werden, die sich häufig im ufernahen Bereich des bewohnten Gewässers befinden. Die Männchen errichten dort – zum Beispiel im Röhricht oder an ins Wasser ragenden Baumwurzeln – stabile Nestunterlagen aus Zweigen, auf denen jeweils das eigentliche Nest errichtet wird. Es besteht aus Pflanzenmaterialien, die häufig im Wasser gesammelt werden.

Aus den fünf bis zehn Eiern schlüpfen nach 19 bis 24 Tagen überwiegend schwarz gefärbte Jungtiere, die ihren Eltern noch nicht sonderlich ähnlich sehen. Vor allem ihr teilweise nackter, roter Kopf und das gelblich-orange gefärbte Gefieder am Hals verleihen ihnen ein ungewöhnliches Aussehen. Junge Blässhühner können schon kurz nach dem Schlüpfen laufen und schwimmen. Ihre Eltern begleiten die Kleinen, um sie vor Gefahren zu schützen. Aber die Jungen gibt es in den Leinepoldern erst wieder im Frühling zu sehen. Bis dahin halten die Altvögel den Winter über die Stellung.